Der Geschäftsstelle des Bundesverbands Reproduktionsmedizi-
nischer Zentren Deutschlands e. V. (BRZ) sind seit vielen Jahren die zahlreichen Probleme bekannt, auf die Paare mit unerfülltem Kinderwunsch bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber den zuständigen Kostenträgern treffen. Der BRZ kann auf die fachkundige Beratung seiner Justiziare zurückgreifen. Insbesondere im Bereich der privaten Krankenversicherung hatte sich in den letzten Jahren gezeigt, dass einige Versicherer offenbar trotz vielfach eindeutiger Rechtslage die berechtigten Ansprüche ihrer Versicherten nicht oder nur in begrenztem Maße anerkennen. Diese Webpräsenz soll nun dabei helfen, die häufigsten Argumente der Versicherer offenzulegen und die tatsächlichen Hintergründe zu beleuchten. Nach und nach werden die relevanten Urteile und Stellungnahmen unter der Rubrik „Quellen“ hinterlegt. Wir hoffen damit den Kinderwunschpaaren, ihren behandelnden Ärzten, deren Rechtsvertreter sowie die

Krankenversicherer selbst bei der Klärung der Sachlage und Erzielung einer zügigen Kostenerstattung behilflich zu sein.

Unabhängig von den nachfolgenden Grundlagen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass wesentliches Kriterium zunächst einmal der Versicherungsvertrag ist, dessen Inhalt unter Umständen deutlich von den nachfolgenden Grundsätzen abweichen kann. Wir raten daher grundsätzlich, vor Behandlungsbeginn den vereinbarten Versicherungsschutz zu prüfen bzw. prüfen zu lassen!

Der BRZ dankt Herrn Rechtsanwalt Holger Eberlein für die begleitende Unterstützung der Internetseite.

Letzte Aktualisierung: April 2015

Eine Antragspflicht vor Behandlungsbeginn besteht im System der privaten Krankenversicherung nicht, wenn dies nicht im Versicherungsvertrag (Tarifbedingungen) in rechtlich zulässiger Weise ausdrücklich vereinbart wurde. Sh. hierzu auch den folgenden Hinweis!

 

Dieser Vorbehalt ist zumindest dann nicht rechtens und die Verweigerung der Kostenübernahme damit ebenfalls nicht, wenn die Leistungszusage als nur möglich in Aussicht gestellt wird. Eine solch intransparente Tarifklausel ist unwirksam, wie das OLG Zweibrücken in einer rechtskräftigen Entscheidung festgestellt hat. Wenn der Versicherer allein wegen der nicht VOR Behandlungsbeginn erteilten Leistungszusage eine Kostenübernahme verweigert, sollten Sie der Ablehnung widersprechen und fachanwaltlichen Rat (Medizinrecht) einholen.

Quellennachweis Urteil OLG Zweibrücken AZ 1 U 78/11
 


 

Die PKV darf die Übermittlung der wesentlichen medizinischen Daten auch der Partner verlangen, um das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen (Erkrankung des Versicherten, hinreichende Erfolgsaussicht von mindestens 15% pro Embryo-Transfer) überprüfen zu können. Es besteht darüber hinaus aber KEINE Verpflichtung zur Übermittlung sonstiger Unterlagen aus dem Versicherungsverhältnis der Partner. Dies betrifft sämtliche Korrespondenz, Anträge und Bescheide. Der Versicherte muss die benötigten medizinischen Daten zur Verfügung stellen. Der Versicherer darf seine Kostenübernahme jedoch nicht davon abhängig machen, dass der Partner eine generelle Befreiung von der Schweigepflicht erteilt. Zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindung besteht kein Zwang.

Quellennachweis BGH Urteil zur 15%igen Wahrscheinlichkeit AZ IV ZR 113/04
 
 

Um Leistungen in einer privaten Krankenversicherung zu beanspruchen, bedarf es einer eigenen Erkrankung der privat versicherten Person. Liegt eine solche Erkrankung vor, besteht ein Anspruch auf tarifliche Kostenerstattung aller sich aus dieser Krankheit ergebenden notwendigen Heilbehandlungsmaßnahmen. Der Begriff „Verursacherprinzip“ bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als das bestehende Erfordernis einer Heilbehandlung aufgrund einer Erkrankung. Eine Unterscheidung in Haupt- oder Nebenverursachung gibt es nicht. Das wird durch das Urteil des BGH vom 13.09.2006 deutlich.

Quellennachweis

BGH Urteil AZ IV ZR 133/05

 
 

Die Durchführung unnötiger Untersuchungen oder gar Operationen verstößt gegen das ärztliche Ethos sowie die Berufsordnung und kann u. U. den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen.





Quellennachweis Stellungnahme des 1. Vorsitzenden Dr. Hilland
 
 

Grundvoraussetzung der Erstattungsfähigkeit der Kosten gegenüber einer PKV ist die Erkrankung des Versicherungsnehmers („Verursacherprinzip“).  Es gibt allerdings keine Unterscheidung in Haupt- oder Nebenverursachung. Wer erkrankt ist, erhält im versicherten Umfang die sich aus der Krankheit ergebenden Behandlungskosten erstattet, unabhängig davon, ob die Partnerin/der Partner ebenfalls erkrankt ist. Es besteht keine Verpflichtung, eine Krankenversicherung oder Krankenkasse der Partner in Anspruch zu nehmen. Die Behandlung zählt als Gesamtbehandlung. Eine Aufteilung in Behandlungskosten, die vermeintlich der Frau oder dem Mann zuzurechnen sind, findet nicht statt.

Quellennachweis BGH IV ZR 25/03 und IV ZR 133/05
 
 

Eine Leistungsvoraussetzung der Kinderwunschbehandlung ist, dass eine 15%ige Erfolgsaussicht auf das Erlangen einer klinischen Schwangerschaft vorliegt. Solange diese Erfolgsaussicht gegeben ist, sind die Behandlungskosten zu erstatten. Es gibt im PKV-Bereich keine pauschale Begrenzung auf eine bestimmte Anzahl von Behandlungszyklen. Von den Versicherern vorgenommene Pauschalbegrenzungen sind nicht statthaft. Abweichende Regelungen in den Tarifen sind allerdings möglich.

Quellennachweis BGH IV ZR 113/04 und IV ZR 133/05
 
 

Die von vielen Versicherern pauschal vorgenommene Einschränkung auf 5 oder 6 Eizellen pro Zyklus ist unzulässig. Eine solche Begrenzung lässt sich aus dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) nicht herleiten. Die Behauptung der fehlenden medizinischen Behandlungsnotwendigkeit von mehr als 6 Eizellen ist eine reine Erfindung der privaten Versicherungswirtschaft, die weder in der Rechtsprechung noch in der Wissenschaft jemals Rückhalt gefunden hat. Sie berührt allerdings einen wesentlichen Kostenpunkt der ICSI-Behandlung: Bei der jeweils analog anzuwendenden GOÄ-Gebührenziffern 1114 und 4873 können sich Kosten bis zu 350,00 € pro Eizelle ergeben. Daher ist die Frage, wie viele Eizellen behandelt werden, für den Patienten von essentieller Bedeutung und für die Krankenversicherer von erheblichem wirtschaftlichen Interesse. In der Rechtsprechung ist diese Fragestellung mittlerweile zugunsten der Patienten dahingehend geklärt, dass es grundsätzlich medizinisch notwendig ist, alle vorhandenen Eizellen zu gewinnen, auf ihren Reifegrad zu überprüfen und in alle geeigneten Eizellen auch eine Samenzelle zu injizieren.

Quellennachweis Urteile des LG Köln AZ 23 O 51/08
 

Es besteht gegenüber der eigenen PKV keine Verpflichtung, zusätzlich die Versicherung oder gesetzliche Krankenkasse der Partner in Anspruch zu nehmen. Insbesondere kann man nicht gegen Obliegenheitspflichten verstoßen oder sein eigenes Versicherungsverhältnis gefährden, wenn man nur die eigene Versicherung und keine anderen Kostenträger zur Übernahme der Behandlungskosten heranzieht. Dies trifft unabhängig davon zu, ob die Partner gegenüber den eigenen Kostenträgern Ansprüche erheben könnten.

 

Es gibt bei der PKV keinen ausdrücklichen Leistungsausschluss für unverheiratete Paare. Die entsprechende Rechtsfrage ist allerdings zurzeit noch nicht abschließend geklärt, da der Bundesgerichtshof (BGH) bisher diese Frage noch nicht entschieden hat. Die überwiegende Anzahl der Zivilgerichte gestehen jedoch unverheirateten Paaren ohne Einschränkung Leistungsansprüche gegenüber der PKV zu. Sozialrechtliche Bestimmungen und Urteile der Sozialgerichte haben keinen Einfluss auf die Pflichten der PKV.

Quellennachweis Urteil LG Dortmund AZ 2 O 11/07
 

Die Leistungspflichten der PKV regeln sich ausschließlich unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten. Die zuständigen Gerichte sind hier ausschließlich die Zivilgerichte mit dem BGH als oberste Instanz. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte, insbesondere des Bundessozialgerichts (BSG), betrifft nur die GKV und ist bedeutungslos für die Leistungspflichten der PKV. Gleiches gilt für die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.

 

Das entspricht nicht dem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Allein das Paar hat das Recht zu entscheiden, wieviele Kinder es sich wünscht.

Quellennachweis

BGH IV ZR 113/04, BGH IV ZR 173/05, BGH IV ZR 133/05

 
 

Es gibt keine festen Altersgrenzen im Bereich der PKV. Alleiniger Maßstab für die Leistungspflicht der PKV ist, dass die Erfolgsaussicht hinsichtlich des Eintritts einer klinischen Schwangerschaft wenigstens 15% betragen muss. Diese Erfolgsaussicht ist anhand der Auswertungen des Deutschen IVF-Registers (D.I.R) und individueller Kriterien, die der BGH in seinem Urteil näher spezifiziert hat, von den behandelnden Ärzten festzustellen.

Quellennachweis BGH IV ZR 113/04
 
 

In all denjenigen Situationen, in denen kein 100%iger Versicherungsschutz durch die PKV besteht, kann es notwendig sein zu überprüfen, ob nicht auch andere Leistungsträger parallel zur PKV Leistungen zu erbringen haben. Sofern es sich hierbei um eine gesetzliche Krankenversicherung (GKV) oder um eine Beihilfestelle handelt, ist zu beachten, dass vor Behandlungsbeginn dort ein entsprechender Antrag gestellt und der Bescheid abgewartet wird. Bei der Beihilfe besteht darüber hinaus in vielen Bundesländern eine hälftige Eigenbeteiligung. Falls eine gesetzliche Krankenkasse ergänzend leistungspflichtig sein könnte, erfordert der Antrag auch in diesem Fall grundsätzlich die Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Darstellung im Detail ist aufgrund der unterschiedlichen Beihilfe-Konstellationen an dieser Stelle jedoch nicht möglich. Vielmehr bedarf es einer individuellen Beurteilung.

 

Die aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Untersuchung und Aufarbeitung des menschlichen Ejakulates (WHO laboratory manual for the examination and processing of human semen. 5th edition, 2010) enthalten Referenzintervalle zu Spermaparametern. Die dort genannten Daten beziehen sich auf Männer, deren Partnerinnen innerhalb von zwölf Monaten nach Beendigung einer Verhütung schwanger wurden. Mit anderen Worten: Die Referenzbereiche beziehen sich auf Partnerschaften ohne Fruchtbarkeitsstörungen und werden im Handbuch u.a. wie folgt kommentiert:

  • Samenparameter unterliegen einer erheblichen intra- und interindividuellen Variabilität und sind nicht die alleinigen Determinanten der Fertilität eines Paares; die Spannbreite liefert deshalb nur einen Hinweis auf die Fertilität eines Mannes (Kommentar 3).
  • Spermaparameter, die im 95%-Vertrauensbereich liegen, garantieren keine Fertilität (Kommentar 4).
  • Spermaparameter müssen in Verbindung mit der klinischen Situation interpretiert werden
    (Kommentar 6).
  • Die Zeit bis zum Eintritt einer Schwangerschaft wird auch von der Fertilität der Partnerin beeinflusst (Kommentar 8).

Der in der englischsprachigen Originalfassung enthaltene wesentliche Kommentar 8 fehlt in der deutschen Ausgabe des WHO-Laborhandbuchs. Insoweit handelt es sich bei der deutschen Edition um eine bearbeitete Version des Handbuchs.

Es muss also festgehalten werden, dass die im WHO-Laborhandbuch erwähnten Referenzintervalle nicht geeignet sind, aus ihnen eine Behandlungsstrategie abzuleiten. Selbst auf Herausgeberseite der deutschen Ausgabe ist unstrittig, dass das WHO-Laborhandbuch nicht zur Festlegung einer Infertilität und deren Behandlung zu benutzen ist.

Quellennachweis

Urteil Oldenburg AZ 13 O 2884/11

Quellennachweis

Stellungnahme U. A. Knuth, U. Hilland, C. Gnoth

Weitere Hintergrundinformationen:
Jahrbuch des Deutschen IVF-Registers (D.I.R) von 2009
Stellungnahme des Fertility Centers Hamburg (FCH)
WHO Handbuch 5 2010
Stellungnahme Prof. Nieschlag

 


Das ist nicht rechtens. Sie haben immer Anspruch auf die vollständige Behandlung, die nach medizinischen Gesichtspunkten die erfolgreichste ist.